Von den Knaben, welche die Trollen im Hedalswalde trafen.

Von den Knaben, welche die Trollen im Hedalswalde trafen ist eine norwegische Waldgeister-Saga.

Die Sage: Von den Knaben, welche die Trollen im Hedalswalde trafen.

In einer Hütte oben in Vaage im Gudbrandstale wohnten einmal vor alten Zeiten ein paar arme Leute. Sie hatten viele Kinder und zwei von den Söhnen, ein paar halbwüchsige Burschen, mussten beständig in der ganzen Gegend umherziehen und betteln. Deshalb waren sie mit allen Wegen und Stegen wohl bekannt und wussten auch den Richtweg nach Hedal.

Einmal wollten sie auch dorthin gehen. Sie hatten gehört, dass sich einige Falkenfänger bei Mäla eine Hütte gebaut hatten. Nun gedachten sie zugleich dahin zu gehen und sich die Vögel anzusehen und wie man sie finge. Deshalb schlugen sie den Weg über das Langmoor ein.

Es war aber so spät im Herbste, dass die Sennerinnen schon von den Almen herabgezogen waren. Darum fanden Sie nirgends weder Obdach noch Nahrung. So mussten sie denn den Weg nach Herbal verfolgen. Aber dieser war nur ein wenig erkennbarer Viehweg und als die Dunkelheit sie überfiel, kamen sie von dem Pfade ab. Sie fanden auch die Vogelfängerhütte nicht und wahren, ohne zu wissen wie, mitten im dichtesten Walde.

Da sie merkten, dass sie nicht weiter kommen konnten, hieben sie mit dem Handbeil Tannenzweige ab, zündeten ein Feuer an und bauten sich eine Hütte aus den Zweigen. Sie rissen dann Heidekraut und Moos aus und machten sich ein Lager daraus.

Nachdem sie eine Weile gelegen hatten, hörten sie, wie jemand schnaubte und stark mit der Nase schnüffelte. Die Knaben horchten auf und lauschten, ob es Tiere oder Waldtrollen wären, die sie hörten. Aber da schnüffelte es noch stärker und eine Stimme sagte:

„Ich wittere, wittere Christenblut!“

Da hörten sie es so schwer einherschreiten, dass die Erde schwankte und nun wussten sie, dass die Trollen draußen waren.

„Gott helfe uns, was sollen wir nun anfangen?“ sagte der jüngste Knabe zu seinem Bruder.

„Ei, bleibe nur stehen unter der Fichte, wo Du stehst und mache dich bereit, die Säcke zu ergreifen und auszureisen, sobald Du sie kommen siehst und ich werde das Beil nehmen,“ sagte der andere.

In demselben Augenblicke sahen sie die Trollen angefetzt kommen und diese waren so groß und plump, dass ihre Köpfe bis zu den Baumwipfeln reichten. Es waren ihrer drei, aber sie hatten zusammen nur ein Auge und das gebrauchten sie abwechselnd. Jeder hatte ein Loch in der Stirn und in dieses legten sie es und richteten es mit der Hand. Der, welcher voranging, musste es immer haben und die anderen gingen hinterher und hielten sich an dem ersten fest.

„Reiß aus!“ sagte der älteste der Knaben, „aber fliehe nicht zu weit, ehe Du siehst, wie es geht. Da sie das Auge so hoch haben, so fällt es ihnen schwer, mich zu sehen, wenn ich von hinten auf sie los komme.“

Der Bruder rannte voran und die Trollen liefen hinterher. Indessen ging der älteste Knabe von hinten auf sie los und hieb dem hintersten Troll in das Fußgelenk, so dass er einen grässlichen Schrei ausstieß und es dem ersten Troll so angst wurde, dass er zusammenschrak und das Auge fallen ließ. Der Knabe war aber schnell bei der Hand und erhaschte es. Es war größer als zwei zusammengelegte Schüsseln und so hell und scharf, dass es, obgleich es doch kohlschwarze Nacht war, wie der lichte Tag wurde, als er hindurch blickte.

Als die Trollen merkten, dass er ihnen das Auge weggenommen und einen von ihnen beschädigt hatte, begannen sie ihm alles mögliche Böse anzudrohen, wenn er ihnen nicht sofort das Auge wiedergäbe.

„Ich fürchte mich weder vor Trollen noch Drohungen,“ sagte der Knabe. „Jetzt habe ich allein drei Augen und Ihr drei habt keines. Überdies müssen zwei von Euch noch den dritten tragen.“

„Bekommen wir unser Auge nicht augenblicklich zurück, so sollst Du zu Stein werden!“ schrien die Trollen.

Aber der Knabe meinte, das ginge nicht so schnell. Ihm wäre weder vor Prahlerei noch Zauberei bange, sagte er und ließen sie ihn nicht in Frieden, so würde er auf sie alle drei losschlagen, dass sie wie Gewürm auf der Erde umher kriechen müssten.

Als die Trollen das hörten, wurde ihnen Angst und sie gingen an gute Worte zu geben. Sie baten gar schön, er möchte ihnen doch da Auge wieder geben, dann sollte er auch Gold und Silber und alles bekommen, was er haben wolle.

Das gefielt nun dem Knaben recht gut, aber er wollte das Gold und Silber erst haben. Deshalb sagte er, wenn einer von ihnen heimgehen und so viel Gold und Silber holen wollte, dass er und sein Bruder ihre Säcke damit füllen könnten. Wenn sie dazu noch zwei Bogen von Stahl erhielten, dann sollten die Trollen das Auge wieder bekommen, aber so lange wollte er es behalten.

Die Trollen wurden sehr böse und sagten, es könne ja keiner von ihnen gehen, wenn sie nicht erst das Auge zum Sehen erhielten. Aber nun fing einer von ihnen an, nach der Frau zu schreien, denn sie hatten auch alle drei zusammen eine Frau.

Nach einer Weile antwortete es von einer Bergkuppe weit nach Norden zu. Da sagten die Trollen, sie solle mit zwei Bogen von Stahl und mit zwei Eimern voller Gold und Silber kommen. Nun dauerte es nicht lange, bis sie dar war. Als sie erfuhr, wie es ihnen ergangen, begann sie ebenfalls mit Zauberei zu drohen. Aber den Trollen wurde bange und sie baten, sie möchte sich vor der kleinen Wespe in Acht nehmen, denn sonst wäre sie nicht sicher davor, dass sie nicht auch um ihr Auge käme.

Da warf sie dem Knaben die Eimer voll Gold und Silber und die Bogen zu und kehrte mit den Trollen, welche froh waren, ihr Auge wieder zu haben, auf den Berg zurück.

Seit der Zeit hat niemand mehr gehört, dass die Trollen nach dem Hedalswalde gegangen wären und nach Christenblut geschnüffelt hätten.

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Quelle:
Auswahl norwegischer Volksmärchen und Waldgeister-Sagen
P. Chr. Asbjörnsen, Verlag Adolph Neselshöfer, Leipzig, 1881