Das Kätzchen und die Stricknadeln

Das Kätzchen und die Stricknadeln ist ein Märchen von Ludwig Bechstein.

Es war einmal eine arme Frau, die in den Wald ging, um Holz zu sammeln. Als sie mit ihrer Bürde auf dem Rückwege war, sah sie ein krankes Kätzchen hinter einem Zaune liegen, das kläglich schrie. Die arme Frau nahm es mitleidig in ihre Schürze und trug es nach Hause.

Auf dem Wege kamen ihre beiden Kinder ihr entgegen und wie sie sahen, dass die Mutter etwas trug, fragten sie: „Mutter, was trägst du?“ und wollten gleich das Kätzchen haben. Aber die mitleidige Frau gab den Kindern das Kätzchen nicht, aus Sorge, sie möchten es quälen. Sie legte es zu Hause auf alte, weiche Kleider und gab ihm Milch zu trinken. Als das Kätzchen sich gelabt hatte und gesund war, war es mit einem Male fort und verschwunden.

Nach einiger Zeit ging die arme Frau wieder in den Wald. Als sie mit ihrer Bürde Holz auf dem Rückweg wieder an die Stelle kam, wo das kranke Kätzchen gelegen hatte, da stand ein ganz vornehme Frau dort. Sie winkte die arme Frau zu sich und warf ihr fünf Stricknadeln in die Schürze.

Die arme Frau wusste nicht recht, was sie denken sollte. Sie nahm die fünf Stricknadeln und legte sie des Abends auf den Tisch. Aber als die Frau am anderen Morgen ihr Lager verließ, da lagen ein Paar neue, fertig gestrickte Strümpfe auf dem Tisch. Das wunderte die arme Frau über alle Maßen.

Auch am nächsten Abend legte sie die Nadeln auf den Tisch und am Morgen darauf lagen wieder neue Strümpfe da.

Jetzt merkte sie, dass zum Lohn ihres Mitleides ihr diese fleißigen Nadeln beschert waren. Sie ließ sie nun jede Nacht stricken, bis sie und die Kinder genug hatten. Dann verkaufte sie auch Strümpfe und hatten genug bis an ihr seliges Ende.

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Quelle:
Unsere Heimat, Band 1, Jaegersche Buchdruckerei, Speyer, 1965