Otterherz oder die gute und die böse Squaw

Otterherz, oder die gute und die böse Squaw

Tief im Urwalde, am Ufer eines einsames Sees lebte ein vierzehnjähriges Mädchen. Sie hatte Niemand auf der weiten Welt, als einen jüngeren Bruder, für den sie sorgte, den sie kleidete und dem sie Nahrung gab. Der Kleine aber verstand bereits den Bogen zu führen. Er schoss Vögel und Präriehasen im Walde und brachte sie seiner Schwester, die sie zubereitete.

„Schwesterchen“, frug der Bruder eines Tages, „woher kommt es, dass wir so allein leben? Gibt es denn gar keine menschlichen Wesen außer uns? Und wo sind Vater und Mutter?“

„Grausame Zauberer töteten unsere Eltern“, erwiderte die Schwester; „ob es aber außer uns noch andere Indianer gibt, weiß ich nicht.“

Als im Laufe der Zeit der Knabe zum Jüngling herangewachsen war, tötete er Hirsche und andere große Tiere des Waldes und brachte sie seiner Schwester; stets aber beschäftigte ihn der Gedanke, dass doch wohl außer ihnen noch andere Indianer leben müssten.

Eines Tages aber bat er seine Schwester, die Hirschfelle zu gerben und ihm zehn Paar Mokassins aus denselben zu machen. Die Schwester erfüllte traurigen Herzens seinen Wunsch.

„Willst du mich verlassen, lieber Bruder?“ frug sie ihn.

„Ja Schwester, ich muss sehen, ob es außer uns noch mehr Indianer gibt.“

Tags darauf nahm der Jüngling Pfeil und Bogen, steckte die zehn Paare Mokassins in den Gürtel, nahm von seiner Schwester Abschied und wandere aufs Geratewohl in den Wald hinein.

Den ganzen Tag schritt er wacker darauf los durch Dickicht und Wüsten, ohne etwas Bemerkenswertes zu sehen. Des Nachts schlief er unter einem Baume, an dem er am nächsten Morgen ein paar Mokassins aufhing, damit er bei der Rückkehr zur Schwester im Stande sei, den Lagerplatz wieder zu finden.

Am Abend des zweiten Tages fand er in der Nähe seines Lagerplatzes die Stümpfe von zwei gefällten Bäumen. Aha, sagte er zu sich selbst, das ist ein Zeichen, dass Indianer hier gewesen sind. Aber, fügte er hinzu, nachdem er die Stümpfe mit dem Fuße berührt hatte, sie sind verfault, ganz weich und mit Moos bedeckt. Es muss schon lange her sein, dass Jemand hier war und ich werde weit zu gehen haben, ehe ich die Leute finde.

Am nächsten Morgen hing er abermals ein Paar Mokassins auf und wanderte weiter, – die Baumstümpfe, die er an diesem Abende sah, waren zwar auch mit Moos bedeckt, aber weniger von Fäulnis berührt, als die gestrigen.

So wandere er zehn Tage lang, fand an jedem Ruheplatze die Anzeichen besser und die Baumstümpfe härter, bis am Abend des elften Tages die Bäume nur erst gefällt erschienen. Dies stimmte ihn so heiter und vergnügt, dass er die Nacht hindurch vor Aufregung nicht schlafen konnte. Tags darauf aber führte ihn ein kleiner Fußpfad in ein Indianerdorf. Die Einwohner waren mit Ballspiel beschäftigt, sie schienen erfreut, den unbekannten Gast zu sehen, fanden ihn angenehm und wohlgebildet, hießen ihn herzlich willkommen und luden ihn ein, am Ballspiel teilzunehmen. Mit Freuden folgte er der Aufforderung und gab sich dem Vergnügen mit solchem Eifer und Geschick hin, dass er allgemeines Lob erntete. Nach dem Spiele führten sie ihn im Triumph nach einem Wigwam, vor dem der Ogima-Wateg (der Ehrenbaum) aufgerichtet war. Er sah bald, dass dieser große, schöne Wigwam die Wohnung des Hauptlings war.

Der Ogima empfing ihn höchst gastfreundlich und gab ihm den Ehrenplatz zwischen seinen beiden Töchtern. Die Namen der Mädchen erschienen unserem jungen Manne voller Bedeutung; die eine nannte sich Matschi-Kaue (die Böse); Otschki-Kaue (die Gute) ward die andere gerufen. Unser Freund überzeugte sich bald von der Wahrheit dieser Namen und wendete sich des während des Festmahls von Matschi-Kaue, die ihm unheimlich erschien, ab und fühlte sich zu Otschki-Kaue hingezogen, der er schließlich erklärte, dass er bereit sei, sie zu ehelichen. Da hatte er freilich die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn der Häuptling und die Großen machten es zur Bedingung, dass er Beide auf einmal heiraten müsse.

Dies behagte ihm weniger und erfüllte sein Herz mit Sorgen. Als das Fest zu ende war und die Zeit der Nachtruhe kam, verabschiedete er sich auf kurze Zeit, um, wie er sagte, einen jungen Mann zu besuchen, mit dem er Ball gespielt hatte. Er nahm Pfeil und Bogen, hing den Spiegel an den Gürtel, wie ein Mann, der einen Besuch machen will, versicherte die Mädchen, dass er sofort wieder kommen werde und verließ den Wigwam. Die beiden Prinzessinnen saßen lange Zeit vor dem Feuer und warteten auf den Geliebten, er kam aber nicht. Endlich waren sie überdrüssig, seiner zu warten und da sie ahnten, dass er geflohen sein möge, machten sie sich auf den Weg ihn zu suchen.

Mindestens ein Dutzend Fußpfade führten nach verschiedenen Richtungen aus dem Dorfe. Die Mädchen verfolgten sie alle bis zu dem Punkt, an dem sie in die Wüste führten und die Spur des Wanderers leicht erkennbar war. So kamen sie endlich auf die frische Fährte des Flüchtlings und verfolgten ihn mit der Geschwindigkeit des Windes.

Oschige-Wakau (Otterherz), so war der Name unseres Freundes, mit welchem ihn auch seine Schwester gerufen hatte, war den ganzen Tag lang tüchtig ausgeschritten und wollte just am Abend, als er sich sicher glaubte, ein wenig ausruhen, als er plötzlich menschliche Stimmen und lautes Lachen hinter sich hörte. Die beiden Mädchen freuten sich, dass sie ihn entdeckt hatten; er aber fürchtete sich und kletterte bis auf die Spitze des nächsten Tannenbaumes, wollte auch nicht herunterkommen, als die Mädchen ihn baten, mit ihnen zur Hochzeit zurückzukehren.

Otschki-Kaue und Matschi-Kaue waren aber fest entschlossen, ihn zu besitzen und fingen an mit den Tomahawks, die sie im Gürtel hatten, den Baum zu fällen. Sie arbeiteten ebenso schnell, als sie gelaufen waren und bald begann die Tanne sich zu senken. Das ward unserem Otterherz denn doch zu toll und er beschloss, sich durch Zauberei zu retten: Er pflückte den obersten Tannzapfen, setzte sich darauf und ritt so schnell als er konnte davon in der Richtung mit dem Winde. Bald darauf fiel der Baum und die beiden Indianerinnen waren höchlich erstaunt, den Geliebten, dessen Entfernung sie nicht bemerkt hatten, nicht mehr vorzufinden. Sorgsam untersuchten sie den Baum, um die Stelle ausfindig zu machen, wo Otterherz bei seiner Flucht abgesprungen war; endlich sahen sie, dass der letzte obere Tannzapfen fehlte. Da Beiden Manitu die Gabe der Zauberei verliehen hatte, so errieten sie sofort die Wahrheit und setzten in der Richtung des Windes dem Flüchtling nach. Da sie aber doch einige Zeit mit dem Umhauen des Baumes vertrödelt hatten, sowie damit, die Tannenzapfen zu untersuchen, so hatte Otterherz einen guten Vorsprung und schickte sich am Abend des nächsten Tages, als er sicher vor Verfolgung glaubte, zur Ruhe an. Plötzlich hörte er wieder Stimmen und Lachen hinter sich: „Oho, Oschige-Wakau“, hörte er die beiden ihn verfolgenden Mädchen sagen, „du denkst, du kannst dich vor uns verbergen? Gib den Gedanken auf, gibt ihn ja auf, es wird dir nicht gelingen!“ Diesmal hatte Otterherz die Tannenbäume vermieden und sich einen alten, großen, dicken, hohlen Ahornbaum ausgesucht, da er wohl wusste, dass das Holz dieser Bäume im Alter und wenn es eine Zeit lang dem Wind und Wetter ausgesetzt ist, so hart wie Stein wird.

„Sie werden es wohl bleiben lassen, diesen Baum zu fällen; ihre Tomahawks werden bei den ersten Hieben zerbrechen“, dachte der Flüchtling und ließ sich von oben in die Höhlung des Stammes hinab.

Kaum war er unten angelangt, so erschraken die Mädchen am Fuße des Baumes, denn sie hatten es wohl bemerkt, welchen er sich ausgesucht hatte; sie umgingen den Baum, den sie mit ihren Tomahawks beklopften, um zu sehen, ob er hohl sei und riefen: „Lieber, süßer Freund, bist du hier?“ Da aber der Herzensfreund nicht antwortete, versuchten sie es, den Baum niederzuschlagen; aber ihre Tomahawks fügten dem zähen Holze nur wenig Schaden zu. Als sie nach einer Weile harter Arbeit ein wenig ausruhen wollten, sprach die böse Squaw zur guten Squaw: „Wir wollen sehen, Schwester, ob nicht ein kleiner Spalt im Baum ist.“ Und richtig, es war ein Spalt da und sie sahen ihren lieben Bräutigam ganz gemächlich im Baume sitzen. Dieser Anblick spornte die Schwestern zu neuer und energischer Arbeit an, bis es unserem Otterherz langweilig ward und er den Wunsch aussprach, einer der Tomahawks möge zerbrechen. Gleich darauf klagte denn auch die böse Squaw, dass ihr Tomahawk zerbrochen sei und der bessern Schwester blieb nichts übrig, als die Arbeit allein zu verrichten, bis auf einen Wunsch Oschige-Wakau´“ auch ihr dasselbe Schicksal widerfuhr.

Nun sahen die beiden Jungfrauen ganz deutlich, dass sie mit Gewalt nichts ausrichten konnten. Sie legten sich deshalb aufs Bitten und riefen Beide so zart und liebreich, als sie vermochten: Oschige-Wakau, mein schöner Gemahl, den unser Vater, der mächtige Ogima, uns gegeben, komm heraus, komm heraus, komm zu mir.“ Wer aber nicht kam und sich ganz ruhig verhielt, war der Herr Bräutigam.

„Es hilft nichts“, wisperte die böse Schwester der guten zu, „wir müssen andere Mittel versuchen. Trennen wir uns und versuchen wir nun jede ihn auf eigene Weise zu erlangen; da er nur eine von uns heiraten will, so mag ihn die haben, die ihn zuerst in ihre Netze lockt.“

Otschki-Kaue ging auf den Vorschlag ein und die Schwestern trennten sich, um nach verschiedenen Richtungen hin in den Wald zu wandern.

Sobald Otterherz sah, dass die Luft rein war, kroch er aus dem hohlen Baum heraus und setzte seine Wanderung fort. Er war recht hungrig geworden und deshalb beschloss er, als er gegen Mittag an einen Biberbau kam, sich zur Mahlzeit einen Biber zu fangen und die Nacht hier zuzubringen. Gesagt, getan. Er legte seine Decke unter einen ihm zum Lagerplatz geeignet scheinenden Baum und ließ das Wasser aus dem Damme ab. Ein schöner, fetter Biber blieb auf dem Trocknen und den erlegte er. Wie groß aber war sein Erstaunen, als er bei der Rückkehr nach dem Lager dort einen schönen Wigwam aus Birkenrinde fand, wo er seine Decke gelassen hatte.

„Das sind gewiss wieder die beiden unvermeidlichen Mädchen“, dachte unser Held und wollte fliehen, aber er war müde und hungrig und der Wigwam sah so einladend aus und das Feuer prasselte so verlockend, dass er zu bleiben beschloss und sei es auch nur, um zu sehen, was nun folgen würde. Er lief und den Wigwam herum und erspähte endlich auch durch einen Riß in der Rinde ein Mädchen, das damit beschäftigt war, das Innere zu reinigen und wohnlich herzurichten.

„Das scheint mir die gute Otschki-Kaue zu sein“, flüsterte ihm sein Herz zu, „sie erscheint recht hübsch, womöglich etwas magerer und blässer, als ich dachte.“ Er fasste sich ein Herz, trat näher, begehrte als Gast Einlass in die Hütte und legte seinen Biber an der Schwelle nieder.

„Willkommen“, begrüßte ihn die Jungfrau, „Ihr seid sicherlich ein armer, müder und hungriger Reisender. Ich will Euch den Biber und das Lager zurecht machen.“ Schnell zog sie dem Tiere das Fell ab, schnitt den Biber in Stücke und bereitete das Mahl; aber während das Fleisch im Kessel kochte, kostete sie unwillkürlich und öfters.

Otterherz bemerkte sogar zu seinem Missvergnügen, dass sie ganz anständig zulangte und gierig sich die besten Bissen aussuchte, wie sie eben ihre böse Natur nicht beherrschen konnte. Solches Betragen benahm ihm allen Appetit und er aß deshalb nur wenig. Seine üble Laune stieg, als er im Kessel die leckersten Stücke, die jeder Jäger liebt, nicht mehr vorfand. Deshalb widerstand er männlich ihren heuchlerischen Liebkosungen, wickelte sich in seine Decke und legte sich in die eine Ecke der Hütte nieder, während er ihr barsch befahl, in die andere Ecke sich zurückzuziehen.

Als Otterherz am Morgen aufbrechen wollte, fand er im Kessel keine Spur vom Frühstück vor, obwohl es Brauch aller guten Hausfrauen ist, des Nachts etwas Fleisch in den Kessel zu tun, damit der Gemahl, wenn er früh zur Jagd aufbricht, sich erfrischen kann: – diese Squaw hatte Alles aufgezehrt. Das versetzte ihn in eine namenlose Wut und er schalt sie tüchtig aus, so dass sie ganz blass ward, ihre Gesichtszüge veränderten sich, die Gestalt fiel in sich zusammen und zuletzt verwandelte sie sich in eine langhaarige Wölfin, die mit scheuen Sätzen ins nahe Dickicht entfloh, um dem gerechten Zorn ihres Herrn zu entgehen.

Nun konnte sich Otterherz alles erklären. Es war also Matschi-Kaue gewesen, die am Abend eine bestrickende Form angenommen hatte, obgleich sie bei all ihrer Zauberei eine gewisse Magerkeit und Blässe zu verbergen nicht im Stande gewesen war. Sie hatte ihm wohl geschmeichelt und ihn geliebkost, aber ihre böse und eigennützige Natur war stärker gewesen, als sie selbst und so hatte sie die besten Stücke vom Biber für sich genommen; als er sie aber deshalb angriff, hatte sie sich in ihrer magern Gestalt, als Wölfin, gezeigt. Otterherz war nicht wenig erfreut darüber, dass er hinter ihren Trug gekommen war und setzte, so schnell er konnte, seine Reise fort.

Am Abend machte er wiederum an einem Biberdamme Halt und legte seine Decke unter einen ihm passend erscheinenden Baum; dann aber machte er sich auf, einen Biber zu töten. Als das Wasser abgeflossen war, erlegte er deren drei; wie groß aber war sein Erstaunen, als er zum Lagerplatz zurückgekehrt, abermals eine recht wohnliche Hütte vorfand und durch einen Riß in der Rinde ein weibliches Wesen entdeckte, das sich am Feuer zu schaffen machte.

„Ach“, dachte er, „wer wird es diesmal sein? Das kann nur Otschki-Kaue, die gute, sein. Ich will in den Wigwam gehen und sehen, wie sie meine Decke gelegt hat; finde ich diese nahe bei ihrem Lager, so ist sie es und sie ist mir zum Weibe bestimmt.“ Und so war es auch; als er eintrat, fand er alles reinlich und nett und seine Decke lag neben dem Hirschfell, das sie für sich selbst zurecht gemacht hatte. „So ist´s recht“, murmelte er, „das ist meine Frau.“

Sie war zwar klein, aber recht sauber und zierlich, auch wirtschaftete sie nicht so im Wigwam herum wie die Squaw vom gestrigen Abend, sondern bewegte sich zu seiner großen Freude gesetzt und fasste alles geschickt und an. Aus den Bibern bereitete ihm die kleine Frau ein geschmackvolles Abendessen und setzte ihm die besten Bissen vor. Sie mundeten ihm vortrefflich und er lud sie ein, am Mahle teilzunehmen.

„Nein“, erwiderte sie bescheiden, „ich habe dazu noch Zeit genug, mein gewöhnliches Abendbrot werde ich bald zu mir nehmen.“

„Aber Otschki-Kaue“, sagte Otterherz, „ich esse nicht gern allein das, was ich für mich selbst und meine Frau erjagt habe.“

Sie aber beharrte bescheiden bei dem, was sie erklärt und wiederholte, dass sie bald ihr gewöhnliches Abendbrot zu sich nehmen werde.

Nun ließ er sie gewähren; aber des Nachts wachte er durch ein Geräusch auf, als ob Mäuse oder Biber Holz nagten. Zu seinem Erstaunen glaubte er beim Scheine des Feuers sein Weib die Rinde der kleinen Birkenzweige abnagen zu sehen, mit denen er die Biber zusammengebunden hatte. Er hielt es indessen für einen Traum und schlief bis zum hellen Morgen. Als er erwachte, trug seine kleine Frau das Frühstück auf, das sie bereits zubereitet hatte.

Er teilte ihr mit, was er geträumt hatte, sie aber lachte nicht so herzlich darüber, als er erwartet. „Hallo“, dachte er, „war es am Ende doch kein Traum, sondern Wahrheit“ Höre, Otschki-Kaue, komm einmal hierher. Sage mir, warum hast du dir gestern Abend die Biber so genau betrachtet, die ich heimbrachte?“

„Oh“, entgegnete sie seufzend, „habe ich nicht ein Recht, sie so aufmerksam anzusehen? Sind sie nicht alle mit mir verwandt? Der eine war mein Vetter, der zweite mein Großonkel, der dritte aber meine liebte Tante“

„Also gehörst du zur Familie der Biber?“ rief er erfreut.

„Freilich bin ich ein Glied derselben.“

Der Charakter und die Art und Weise der Biber gefiel dem Otterherz außerordentlich. Und dann war seine junge Frau aus der Biberfamilie so bescheiden und so aufmerksam gegen ihn und der Umstand, dass sie ihre Verwandten geopfert, konnte nichts als ein unverkennbarer Beweis ihrer großen Liebe zu ihm sein.

Bei alledem beschloss er ihre Wünsche in allem zu beachten und in Zukunft nur Rehe, Vögel und andere Tiere zu schießen, die Biber, als die nunmehr im Verwandten, aber in Ruhe zu lassen, so dass er mit seiner lieben Frau die Mahlzeiten gemeinsam einnehmen konnte. Und sie hinwiederum ließ von nun ab die Birkenzweige in Ruhe und störte ihn nicht mehr das Nachts durch ihr Knabbern an denselben, sondern gewöhnte sich allmählich an die Fleischkost. So lebten sie glücklich und angenehm den ganzen Winter hindurch. Er war ein kühner Jägersmann und sie eine sorgsame Hausfrau, geschäftig und friedfertig, nach Art der Biber.

Im Laufe der Zeit ward ihnen auch ein Sohn geboren, worüber sie unendlich glücklich waren.

Aber ach, ihr Glück war nur von kurzer Dauer. Es muss bezüglich der Otschki-Kaue hier bemerkt werden, dass zu den Eigentümlichkeiten ihrer Abstammung das Gebot gehörte, sie nie die Fuße nass zu machen.

Deshalb musste er ihr versprechen, sie auf der Reise besonders in Obacht zu nehmen, wenn sie an Flüsse oder Bäche kommen sollten.

Otterherz kam natürlich diesem Wunsche gern nach; aber eines Tages auf der Reise, als er voran ging und sie mit dem Kleinen folgte, kamen sie an einen kleinen, kaum sechs Zoll breiten Bach. „Sie wird doch wohl ein so kleines Hindernis selbst überwinden können“, dachte Otterherz. Im Augenblick aber schreckte ihn ein eigentümliches Geräusch aus seinen Gedanken; er blickte hinter sich und aus dem kleinen, ruhigen Bächlein war ein wilder Strom geworden, in dessen Mitte er Frau und Kind erblickte, die, zu Bibern verwandelt, schnell vom Strome fortgerissen wurden. Dieser Anblick zerriss ihm das Herz. Er bat sie, zurückzukehren, sie aber erklärte, dass ihr dies unmöglich sei. „Ich habe dir meine Verwandten und alles geopfert und habe nur von dir verlangt, mir Brücken zu bauen und mich trocknen Fußes über Gewässer zu bringen. Du aber hast das leider verabsäumt. Jetzt muss ich für immer bei meinen Verwandten bleiben.“ Selbst seinen kleinen Sohn durfte er nicht küssen und so schieden sie für immer! – So ward Otterherz Stammvater der Biberindianer, denn sein Sohn pflanzte den Stamm fort.

<hr>
Quelle: Aus dem Wigwam, Neue Märchen und Sagen der Nordamerikanischen Indianer, gesammelt von Kurt Knortz, Verlag von Otto Spamer, 1880