Ein Totenbaum

Ein Totenbaum

Wo aus schwarzen Tannenwäldern himmelhohe Klippen ragen,
Donnernd des Gebirgs Gewässer an die Felsenrippen schlagen,
Kommt ein Männerzug geschritten auf des Pfades schmalem Saum,
Feierlich in ihren Mitten tragend einen Totenbaum.

Und der Zug aus finsterm Walde immer immer weiter aufwärts geht er,
Bis von mondbeglänzter Halde ragt das Kloster Sankt Peter;
Vor dem hohen Dome stellen sie die schwere Bürde ab:
„Mönche, kommt aus euren Zellen! Euer Fürst begeht ein Grab!“

Aus dem besten Schlafe ringen sich die Brüder nur verdrossen;
Ahnungslos, was jene bringen, wird die Pforte nun erschlossen,
Und in hellem Mondlicht schauen sie, fast dünkt es ihren Traum,
In der Männer Kreis den rauhen Stamm von einem hohlen Baum.

„Sagt, was führt euch her? Was bringt ihr da für einen Baum getragen?“
„Dieser Stamm birgt einen andern, der auch nimmer aus wird schlagen!
Hier in eurer Toten Mitte stellt ihn jetzt in fromme Hut –
Herzog Bertold ist´s der Dritte, der in diesem Baumsarg ruht!

Überm Rhein, bei Molsheim ist er gestern in der Schlacht gefallen,
Durch die bischöflichen Knechte und es war sein letztes Lallen:
Schaft, o Freunde, meine Leiche in Sankt Peters Gotteshaus,
‚Dass ich dort im Friedensreiche ruh´ bei meinem Vater aus.‘

So empfangt die euch vertraute, des geliebten Fürsten Hülle,
Der die ‚freie Burg‘ erbaute und begabt mit Segensfülle;
Lasst uns nun vereint ihn senken in den gottgeweihten Baum,
Aber gebt zum Angedenken uns zurück den Totenbaum!“

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Quelle:
Badisches Sagenbuch, J. Waibel und H. Flamm
Druckerei Heinrich Epstein, Freiburg