Die drei Katzen

Die drei Katzen ist ein Märchen von Lucie Ideler:

Es war einmal ein junger Mensch, dem starb sein Vater. Er konnte ihm nichts hinterlassen als 100 Taler. Das war zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben. Da dachte Hans bei sich: „Ich will mir ein gutes Rösslein kaufen und in die Königstadt ziehen. Vielleicht braucht der König einen guten Soldaten und etwas andres habe ich nicht gelernt.“

Gedacht, getan. Er kaufte das Rösslein mit Sattel und Zaum dazu und behielt auch noch ein paar Taler übrig. Als er aber in die Stadt kam, wo der König wohnte, fand er alles in tiefer Trauer. Aus allen Fenstern hingen schwarze Fahnen. Alle Leute hatten schwarze Kleider an und es war ein großes Schluchzen und Wehklagen durch die ganze Stadt. Als Hans dies hörte, dachte er in seinem Herzen: „Ach Gott! Nun ist gewiss der König gestorben, bei dem ich Kriegsdienste nehmen wollte. Meine paar Taler werden bald verbraucht sein und wo soll ich hin?“

Er fragte ein altes Mütterchen auf der Straße. Diese sagte ihm: „Der König ist nicht gestorben und die Königin lebt auch noch. Aber die Prinzessin, ihr einziges Kind, ist fort! Wir wissen nicht, wo sie geblieben ist!“

Da ritt Hans vor das Königsschloss und fragte nach der Prinzessin. Der König und die Königin saßen auf einem prächtigen Throne, aber sie weinten immerzu und konnten vor Betrübnis nicht sprechen. Endlich hörte Hans, dass die Prinzessin von einem bösen Zauberer fortgeschleppt sei. Viele Ritter und vornehme Herren seien ausgezogen, um sie zu suchen. Aber etliche waren auf einen falschen Weg geraten und, ohne überhaupt nur eine Spur gefunden zu haben, wieder heimgekehrt. Etliche waren gar nicht wiedergekommen, sie mussten wohl ihr Leben verloren haben.

Als Hans dies hörte, sprach er: „Dann will ich die Prinzessin suchen. Zu verlieren habe ich nichts und an meinem Leben liegt keinem Menschen etwas, vielleicht habe ich mehr Glück als die andern.“ Er trat vor den König und die Königin und verkündete ihnen seinen Entschluss, um die Prinzessin auszuziehen. Der König nickte nur stumm mit dem Kopf, so betrübt war er. Die Königin aber fing von neuem an zu weinen und sagte: „Ach! Das arme, junge Blut, ihm wird’s ergehen wie den anderen!“

Das ließ sich Hans aber nicht anfechten, er hatte guten Mut. Vor dem Königsschlosse wartete auf ihn der Schatzmeister, der sollte ihm Gold und Silber geben, soviel er wollte, denn der König war sehr reich. Aber Hans sprach: „Ein paar Taler habe ich noch von meines Vaters Erbe. Das ist genug, wenn ich viel Geld habe, falle ich nur unter die Räuber,“ und machte sich am nächsten Morgen auf seinem guten Rösslein gleich auf den Weg. Er nahm auch keinen Säbel mit, sondern nur einen gehörig dicken Stock.

Als er zum Tore hinausritt, sah er links an der Landstraße drei Katzen sitzen, eine ganz große schwarze, eine mittlere graue und eine kleine bunte. Die saßen alle drei in einer Reihe. Das kam dem Hans komisch vor. Da er aber ein höflicher Mann war, zog er den Hut und sagte: „Guten Tag!“ Die Katzen dankten auch wieder. Als er sich aber noch einmal nach ihnen umsah, waren sie alle fort.

Er ritt einen graden Weg, immer der Nase nach. Als er aber eine Stunde geritten war,, kam er an einen Kreuzweg. Da war guter Rat teuer. Wie er sich nun noch bedachte, welchen Weg er einschlagen musste, um die Prinzessin zu finden, hörte er ganz deutlich neben sich eine Stimme sagen: „Rechts!“ Hans fragte ganz laut: „Wer sagt mir denn das?“ Aber die Stimme antwortete zum zweiten mal viel schärfer: „Rechts musst du reiten, dummer Hans!“ Er konnte aber keinen Menschen sehen. Hans wurde ärgerlich. „Was ist das für eine Grobheit, mich gleich so zu schimpfen, kannst du mir nicht höflich Bescheid sagen?“ Da ging die Stimme in ein zorniges Kreischen über: „Rechts musst du reiten, sonst reitest du in dein Unglück!“

„Das wollen wir doch einmal sehen!“ antwortete Hans ganz falsch, „befehlen lasse ich mir noch lange nichts, nun will ich links reiten!“

Er tat, wie er sagte. Als er den linken Weg einschlug, sah er um den Wegweiser etwas herum schlüpfen. Genau konnte er nicht sehen, was es eigentlich war, aber es kam zuletzt vor, wie ein geringelter, bunter Katzenschwanz. „Der Tausend!“ dachte er, „war das etwa eine von denen, die vorhin am Wege saßen? Und was haben die mit mir zu tun?“

Er ritt nun den linken Weg. Der war erst voller Steine, bald aber wurde er eben und glatt. So ritt Hans bequem dahin, bis der Abend kam und Ross und Reiter müde wurden. Da kam er an ein flaches Heidefeld, das blitze und glänzte wundervoll. Hans dachte erst, es wäre der Mondenschein, der das Land so blinken machte, als er aber genau zusah, erkannte er, dass alles von purem Silber war. Bäume und Sträucher ringsherum und die Steine, die auf dem Boden lagen, waren ganz von Silber und so große wie eine Faust.

„Ei!“ dachte Hans, dies kann mir passen!“ stieg b und wollte sich die Taschen voll stecken. Aber die Steine waren am Boden wie festgewachsen und nicht der kleinste Silberzweig ließ sich von einem Strauch abbrechen. Als Hans sich eine Weile gequält und nicht erlangt hatte, stieg er missmutig wieder auf und trabte weiter. Da sah er in der Ferne ein Haus, aus dem viele helle Lichter durch die Fenster schimmerten. „Gott sei Dank!“ dachte er, „das wird eine Herberge sein, da können ich und mein Pferd zu Nacht bleiben!“ Und eilig ritt er darauf los.

Es kam ihm auch gleich ein Knecht entgegen, der ihm sein müdes Rösslein abnahm. Vor der Tür stand eine hübsche, kleine Wirtin, die machte einen zierlichen Knicks und lud ihn ein, hineinzukommen.

„Kann ich hier zur Nacht bleiben?“ fragte Hans.

„Gewiss! Es sind schon mehr Gäste da! Je mehr Gäste, desto größer der Verdienst für eine arme Frau, wie ich bin!“ antwortete die Wirtin und strich sich vor Behagen ordentlich am Türpfosten, „so einen schmucken Jungen habe ich lange nicht mehr gehabt.“ Dabei machte sie schon höflich die Tür nach der Gaststube auf und es war Hans, als schnurrte ihm etwas um die Füße.

Er setzte sich an einen Tisch und sie holte ihm zu essen. Sie war so flink und zierlich und alles war so blitzblank, dass Hans ganz vergnügt wurde. Aber die Gesellschaft, die um den andern Tisch saß, gefiel ihm nicht. Das waren wilde Kerle, sie hatten Messer und Pistolen bei sich, sie flüsterten und sahen immer nach Hans hin.

Ihm wurde unheimlich und als die Wirtin wieder hereinkam und er sie genau ansah, gefiel sie ihm auch nicht mehr. Sie hatte solche schräge Augen und Hans sah wohl, dass sie den Räubern zublinzelte. Da aß er sich schnell satt und dann stand er auf und sagte, er müsse noch weiter reiten. Das passte der schmucken Wirtin gar nicht und sie gab ihm viele gute Worte, er sollte doch noch bleiben.

Als er sich aber durchaus nicht bereden lassen wollte, wurde sie sehr böse. Sie zischte ordentlich vor Zorn und ihre Augen funkelten ganz grün. „Lasst ihn nicht fort!“ schrie sie den Räubern zu, „greift ihn und macht ihn tot!“ Sie sprangen auf und Hans sah, dass es um sein leben ging. Er wehrte sich aber tapfer und hieb mit seinem dicken Stock tüchtig unter die Räuber, so dass sie zurücktaumelten und kam auch glücklich aus der Stube. Aber ein große Silberstück, das auf dem Tisch lag, raffte er auf und steckte es schnell in die Tasche, so hatte er doch noch etwas von diesem Besuch.

Wie er aber über den Flur zur Haustür hinaus wollte, warf sich ihm etwas zwischen die Füße, dass er stolperte und beinahe gefallen wäre. Und die Räuber waren hinter ihm drein. Da schlug er mit seinem Stock zu und eine Katze schrie laut auf, eine kleine, bunte Katze mit einem geringelten Schwanz. Jetzt fiel es Hans ein, dass die hübsche, kleine Wirtin, die so flink und zierlich umherspringen konnte, grade solch ein Kleid angehabt hatte, wie die Katze ein Fell hatte.

„Nichtsnutziges Katzengesindel!“ schimpfte er, „das will ich euch heimzahlen!“ Denn jetzt wusste er auch, dass sie ihn schon am Kreuzweg hatten auf eine falsche Straße locken wollen. „Dann werde ich den beiden andern auch wohl noch begegnen!“ dachte er, als er glücklich wieder auf der Landstraße war und bald kam er in ein anständiges Wirtshaus, wo er schön schlafen konnte.

Den andern Morgen ritt er weiter und gegen Mittag kam er an ein großes Feld. Das glänzte und strahlte und Hans dachte erst, es wäre die liebe Sonne, die alles so zu glänzen machte. Wie er aber näher kam, sah er, dass es alles eitel Gold war. Die Bäume und Sträucher trugen alle große, goldene Blätter und goldene Steine lagen auf dem Felde, so groß wie ein Kinderkopf.

„Ei!“ dachte Hans, „dies ist noch viel besser, als das Silber, das ich zuerst sah!“ stieg ab und wollte sich die Taschen voll stecken. Aber wieder waren die Steine ganz an der Erde festgewachsen. So sehr er sich auch quälte, er konnte nicht ein einziges kleines Blatt von einem Zweige abbrechen.

„Rechte Dummheit!“ murrte er endlich, „daran sind gewiss auch wieder die verwünschten Katzen schuld.“ Als er das goldene Feld hinter sich hatte, ritt er um eine Ecke und sah dich vor sich ein großes wunderschönes Schloss.

Ein Diener stand schon vor dem Tore, machte dem Hans eine tiefe Verbeugung und sagte: „Die Königin erwartet dich schon!“ „Wohnt hier eine Königin?“ fragte Hans verwundert, „davon habe ich in meinem Leben noch nichts gehört.“

Der Diener antwortete nicht weiter, sondern führte Hans in das Schloss. Da war es aber wundervoll. Breite Marmortreppen mit roten Sammetdecken darauf, kostbare Bilder an den Wänden und Spiegel, die von der Decke bis auf den Fußboden reichten, so dass man sich ganz und gar darin besehen konnte. In dem letzten Saal stand ein Thronsessel, darauf saß eine wunderschöne Dame mit einer Krone auf dem Kopf. Einen feinen, weißen Schleier hatte sie um und ein prächtiges, silbergraues Sammetkleid an mit einer ganz gewaltig langen Schleppe. Die kam freundlich auf unsern Hans zu, küsste ihn auf beide Wangen und bat ihn, er solle es sich nur recht bequem machen und ihr lieber Gast sein. „Ei,“ dachte Hans, „hier kann es mir schon gefallen, hier ist es doch ganz anders als in der alten Räuberschenke, wo man sich seines Lebens nicht sicher war.

Er besah sich das prächtige Schloss ganz genau. Die Bedienten hatten Befehl, ihm alles zu zeigen, aber die Königin selber bekam er nicht viel zu sehen. So waren einige Tage im Handumdrehen vergangen. Nun wollte er auch gern den großen, schönen Garten sehen, der dicht beim Schloss war. Er ging, ohne den Bedienten zu fragen, gleich hinein, er war schon ganz dreist geworden. Und als er um einen schönen Rasenplatz ging, begegnete ihm die Königin, die ganz allein im Garten lustwandelte. Sie hatte wieder ihr prächtiges, graues Sammetkleid an und eine mächtige, lange Schleppe fegte den ganzen Gartensteig ab.

Hans trat rasch auf sie zu und fragte, ob sie es auch erlaubte, dass er in den Garten käme. Sie sagte aber nur: „Komm, ich will dir alles zeigen!“ und dabei sah sie ihn ganz ernsthaft mit ihren großen, grauen Augen an. In diesem Augenblick kam sie Hans ganz bekannt vor und er dachte in seinem Herzen: „Die habe ich doch schon einmal gesehen, ich weiß nur nicht, wo!“ Sie gingen miteinander zum Goldfischteich. Aber es waren keine Fische darin und so prächtig der Garten war, so still war er auch. Nicht ein einziger Vogel sang und kein Sperling hüpfte in den Zweigen umher.

Dem Hans wurde die Stille ganz unheimlich. Er blieb stehen und frage: „Warum singt denn gar kein Vogel hier in all den schönen Bäumen?“ „Die fange ich alle weg!“ sagte die Königin. Als eben ein kleiner Vogel auf die Gartenmauer hüpfte, streckte sie die Hand nach im aus, fing ihn und hatte ihn auch gleich tot gedrückt. Hans Sah, dass durch den Handschuh die Krallen durchkamen. „Herr Gott!“ dachte er, „nun weiß ich auch, wo ich die gesehen habe. Dies ist die Zweite von der Katzengesellschaft an der Landstraße. Die mittlere, graue, darum hat sie auch immer ein graues Kleid an!“

Um sich zu überzeugen, trat er ihr hart auf die lange Schleppe und fühlte mit dem Fuß deutlich den Katzenschwanz. Sie schrie laut auf vor Schmerz. Er aber entschuldigte sich höflich und meinte, dass könne ihr doch nicht weh tun, wenn er ihr auf das Kleid getreten hätte. Sie sah ihn aber bitterböse an und ging fort, ohne ein Wort zu sagen. Hans hörte aber, dass sie im Fortgehen vor Zorn ordentlich knurrte.

Er setzte sich auf eine Bank unter einem großen Baum und überlegte, wie er wohl am besten aus dem Schlosse herauskommen könne, denn hier war es ihm nicht mehr geheuer. Da hörte er seinen Namen rufen. Er blickte auf und sah eine Elster, die auf dem Zweig über ihm saß.

„Mach, dass du fortkommst!“ sagte der Vogel, „die Königin ist eine böse, grausame Hexe. Du bist bald eine Woche hier. Wenn die Zeit um ist, hat sie die Macht, dich in einen Vogel zu verwandeln. Dann wird sie zur Katze, greift dich und frisst dich. Hier in diesem Schlosse sind schon viele ums Leben gekommen, die auszogen, die Prinzessin zu suchen. Warte keinen Augenblick länger. Du hast nicht mehr lange Zeit, sie ist schon böse auf dich.“ „Das macht, weil ich ihr auf den Schwanz trat,“ antwortete Hans, „dass sie eine Katze ist, merkte ich auch schon. Und eine Hexe ist sie gewiss, aber wie soll ich nur fortkommen?“

„Geh gradewegs über den Schlosshof zum Tor hinaus. Sieh dich nicht um und lass dich nicht aufhalten. Nimm nichts mit, was man dir noch geben will, die Speisen sind alle vergiftet. Vor dem Tor wirst du ein Ross gesattelt und gezäumt finden. Steig auf und lass dich hier nie wiedersehen. Hier hast du eine Wegzehrung!“ Die Elster warf ihm ein goldenes Blatt, das sie im Schnabel trug, gerade in den Schoß und flog rasch davon.

Hans steckte es ein und tat, wie ihm der Vogel geheißen hatte. Er ging über den Schlosshof und sah sich nicht um. Die Diener wollten ihn aufhalten, aber er schob sie alle fort. Zuletzt, wie er schon am Schlosstor war, kam der Küchenmeister gelaufen und brachte einen wunderschönen Kuchen, den sollte er doch wenigstens auf die Reise mitnehmen. Da tat Hans, als ob er den Kuchen auch nehmen wollte. Aber er stieß ihn mit dem Ellbogen in den Sand, dass er zerbrach und ganz schmutzig wurde und gar nicht mehr zu essen war. Da hörte er hinter sich ein zorniges Prusten und Knurren. Als er sich umwandte, sah er auf einem Stein eine mittelgroße, graue Katze sitzen. Die schien sehr wüten zu sein, denn sie sträubte ordentlich das Fell. „Ei!“ sagte Hans, „bist du da. Das trifft sich ja gut, warte, ich will dir einen Denkzettel geben.“

Und er schlug ihr mit seinem dicken Stock an die Pfote, dass sie laut aufschrie und ganz lahm davon hinkte. „Das hast du verdient,“ sagte Hans, „nun grüße auch die Königin von mir!“ Aber dann machte er doch, dass er schnell auf sein Pferd kam. Bald hatte er das Schloss weit hinter sich

Am Abend kam er an ein großes Wasser, Er sah sich nach allen Seiten um, aber er konnte keine Brücke finden. Endlich entdeckte er, hinter einem Baum versteckt, einen leeren Kahn. Den machte er lost, stieg mit seinem Rösslein ein und fuhr über. Nicht weit vom andern Ufer stand ein altes, kleines, baufälliges Haus, an dem alle Fensterläden und Türen fest verriegelt waren. Hans klopfte überall an, denn er war müde und hungrig. Plötzlich sprang die Haustür auf und vor ihm stand ein großer Mann, der einen mächtigen schwarzen Bart und einen ganz krummen Rücken hatte. In der Hand trug er eine Laterne, in der ein Licht glühte. Aber Hans kam es vor, als ob die Augen über dem schwarzen Bart noch mehr glühten.

„Was willst du?“ fragte der Alte. „Nachtquartier!“ antwortete Hans ganz keck. „Ich habe keinen Gasthof für Fremde!“ sagte der alte Mann verdrossen und wollte Hans die Tür vor der Nase zuschlagen. Hans griff aber in die Tasche und holte das Silberstück hervor, das er aus der Räuberschenke mitgenommen und das goldene Blatt, das ihm die Elster im Schlossgarten geschenkte hatte. „Sehr ihr, ich kann auch gut bezahlen.“ Als der Alte das Silber und das Gold sah, zog er den Rücken in die Höhe, dass es aussah, als mache er einen ganz krummen Buckel. Seine Augen funkelten ordentlich.

„Woher hast du das?“ fragte er. Er merkte wohl, wo der junge Mensch schon gewesen war und dass er bis jetzt mit dem Leben davon gekommen ist. „Das geht dich nichts an, woher ich es habe,“ antwortete Hans, der auf seiner Hut war, „gib mir nun Nachtquartier.-“

„Schön, du kannst hier bleiben,“ sagte der Alte, „aber nur für eine Nacht, länger behalten kann ich dich nicht. Du musst in einer Kammer schlagen, in der öfters Mäuse sind. Ich fange ihrer, soviel ich kann, aber das freche Gesindel ist immer wieder da.“ Dabei sah er ganz grimmig aus und sein Bart sträubte sich ordentlich

„Die Mäuse sollen mich nicht stören!“ sagte Hans und ging mit dem Alten in die Stube, wo er sich hinter den Tisch setzte. Der Wirt strich und putzte an seinem Bart, bis er wieder ganz glatt war. Dann trug er eine Schüssel Milch zum Abendessen auf, die sie beide verzehrten. Hans wunderte sich im stillen, wie fein und sauber der alte Mann aß und wie zierlich er zuletzt die letzten Tropfen ausleckte, ohne dass sein großer, schwarzer Bart voll Milch wurde. Dann ging Hans in seine Kammer, wo er ein reinliches Strohlager fand. Sein Wirt sagte, er schliefe am Kamin, in dem über Tag das Feuer gebrannt hätte, in der Kammer wäre es ihm nicht warm genug.

Hans wunderte sich in seinem Herzen immer mehr, wie sauber und reinlich alles in dem alten, einfachen Hause war. Da lag kein Hälmchen auf dem Fußboden und alle Krümchen waren in eine Ecke zusammengekehrt, wie geleckt war es überall.

„Wer besorgt hier die Hauswirtschaft?“ fragte Hans. „Ich!“ antwortete der Alte. „Womit kehrst du denn die Stuben so blank? Ich sehe keinen Besen!“ fragte Hans wieder. Der Alte sah ihn misstrauisch an und antwortete nicht. Als aber Hans genau zusah, sah er unter dem langen Schlafrock einen glänzend schwarzen, seidenweichen Katzenschwanz hervorgucken. Der wedelte immer hin und her und fegte jedes Federchen auf.

Nun wusste Hans Bescheid, er setzte sich auf sein Bett und wollte die Nacht durch wachen. „Die ist die dritte!“, dachte er, „und die ist der große, schwarze Kater, der am Wege saß, die ist gewiss der allerschlimmste!“

Er faste seinen dicken Stock fester an. Da wisperte ein feines Stimmchen neben ihm seinen Namen. Hans sah bei dem Mondlicht, das in die Kammer schien, eine große Maus, die eine kleine goldene Krone auf dem Kopfe trug.

„Hans!“, sagte die Maus, „dies ist der eigentliche Zauberer, die beiden andern Katzen in der Schenke und im Schloss sind seine Schwestern. Es sind ein paar alte, gräuliche Hexen, aber so schlimm wie dieser sind sie lange nicht.

„Dann geht es mir doch noch an den Kragen!“ seufzte Hans, „ich bin den beiden ersten schon mit knapper Not aus den Klauen gekommen.“

„Nein, Hans, verzage nicht,“ tröstete die Maus, „bis hierher ist so lange noch keiner gekommen. Du wirst auch die Prinzessin befreien, denn hier ist sie.“

„In diesem kleinen Haus, dass nur eine Stube und eine Kammer hat?! Das glaube ich nicht. Mach glaube ich nicht, mach dass du fortkommst oder ich hole den Kater. Du willst mir etwas vorlügen!“

„Sei doch nicht so dumm, Hans!“ sagte die Maus, „meine Freundin, die Elster aus dem Schlossgarten war schon hier und sagte mir, dass du Verstand hättest und dass ich dir beistehen sollte.“

Hans dachte an die Elster und dass sie ihm wirklich einen guten Rat gegeben hatte, sonst hätte er den Kuchen gegessen und sich vergiftet.

„Wie kommt es eigentlich, dass er dich noch nicht gefangen und aufgefressen hast, wenn du doch eine Maus bist?“ fragte er nach einer Weile.

„Ich bin eigentlich ein alter König und der böse Kerl hat mich in eine Mäusegestalt verzaubert. Er kann mir nur etwas tun, wenn er selbst zum Kater geworden ist. Die Zeit weiß ich aber, dann wickelt mich die Prinzessin in ihr Taschentuch und er kann micht nicht finden, wenn er auch im ganzen Haus herumschleicht.

„Ist die Prinzessin denn nicht verzaubert?“ fragte Hans.

„Nein, einer reinen, frommen Jungfrau kann seine böse Kunst nichts anhaben. Nun höre. Bist du nach drei Tagen noch hier, so verwandelt er dich in eine Maus und dann bist du dein Leben los. Aber morgen und übermorgen darf er dir noch nichts tun. Er muss aber alle Monat einen Tag und eine Nacht lang Katzengestalt annehmen und morgen ist der Tag. Aber dann ist er nicht stärker, als ein gewöhnlicher Kater, den ein Mensch leicht bezwingt. Das weiß er, darum leidet er den Tag keinen Fremden im Hause, schließt Tür und Fenster zu und geht auf Mäusejagd. Wolltest du ihn aber jetzt angreifen, so brächte er dich um, denn er hat furchtbare Kräfte.“

„Er hat mir schon gesagt, dass ich morgen fort müsste!“ sagte Hans.

„Siehst du wohl! Nun reite du nur ruhig ab und tu, als wolltest du niemals wieder kommen. Auf dem Flur liegt ein Sack. Den nimm mit, aber dass der Zauberer es ja nicht etwa sieht. Dann halte dich den Tag versteckt. Den Abend, wann es dunkel geworden ist, komm wieder. Ich werde heimlich ein Stückchen Holz zwischen die Hintertür klemmen, damit er sie nicht zuschließen kann. Auf dem Feuerherd wird der Kater sitzen. Ziehe dir diese Handschuhe an, da kann er nicht durchkratzen. Dann greife ihn und stecke ihn in den Sack. Wenn du das getan hast, hast du die Prinzessin erlöst und mich dazu.“

Die Maus war mit einem Mal verschwunden. Hans dachte erst, er hätte geträumt. Aber auf seiner Bettdecke lag ein Paar starke Lederhandschuhe. Nun war es auch schon Morgen geworden. Hans trat in die Wohnstube, da war schon wieder ausgefegt, dass kein Stäubchen lag.

„So ein Katzenschwanz ist doch der beste Staubfeger!“ dacht Hans.

Sein Wirt brachte ihm zum Frühstück ein Näpfchen Milch. Aber er aß diesmal nicht mit, sondern sagte mürrisch: „Jetzt musst du aber abreisen. Ich kann dich nicht mehr länger hier gebrauchen.“

„Ich will auch gar nicht mehr länger hier bleiben!“ antwortete Hans und ging hinaus, um sein Pferd zu satteln.

Auf dem Hausflur lag ein Sack, den nahm er ganz leise auf und legte ihn unter den Sattel, so dass ihn der Alte nicht sehen konnte. Dann setzte er sich darauf, bedankte sich bei dem Wirt für die freundliche Aufnahme und ritt fort.

Er kam in ein Wäldchen, das nicht weit von dem Hause des Zauberers lag. Dort band er sein Pferd an einen Baum und versteckte sich. Als des dunkel geworden war, zog er sich die Handschuhe an, die ihm die Maus geschenkt hatte. Dann schlich er dem Hause wieder zu und gleich an die Hintertür: Wahrhaftig! Die Maus hatte Wort gehalten und ein Stückchen Holz in die Angel geklemmt. Nun hatte der Riegel nicht gefasst und die Tür war offen. Hans trat leise ein und ging in die Küche. Da saß der Kater auf dem Feuerherd. Er war ganz schwarz und seine Augen glühten fürchterlich. Er machte einen krummen Buckel und wollte mit ausgestreckten Krallen dem Hans voller Wut in das Gesicht springen. Der aber griff herzhaft zu, packte den Kater ins Genick und stopfte ihn in den Sack. Der Alte wehrte sich fürchterlich und kratze was er konnte. Aber durch die Handschuhe kam er mit den Krallen nicht durch.

Und als nun Hans den Sack fest zugebunden hatte, geschah mit einem Mal ein Donnerschlag. Die ganze alte Hütte war verschwunden und statt ihrer stand ein prächtiger Palast da. Eine wunderschöne Prinzessin kam Hans entgegen. Die hatte an der Hand einen vornehmen Herrn, der eine Krone auf dem Kopfe trug, aber schon ganz graues Haar und eine spitze Nase hatte.

„Kennst du mich noch?“ fragte der alte König.

Hans besann sich. „Bist du etwa die Maus, die mir über Nacht die Handschuhe brachte und mir Bescheid sagte, wie ich den alten Gräuel fangen sollte?“

„Ja,“ sagte der König, „die Maus war ich. Aber nun hast mich erlöst und die Prinzessin dazu.“

Da fielen sie sich alle drei um den Hals und herzten und küssten sich.

„Soll ich ihn umbringen?“ fragte Hans und wies auf den Sack, in dem der gefangene Kater fürchterlich wurmte.

„Nein,“ sagte die Prinzessin, „lass ihn jetzt noch leben, den wollen wir meinem Vater mitbringen, dass ihn der doch auch zu sehen bekommt. Dann soll er ihn ersäufen lassen. Und jetzt wollen wir heim reiten.“

„Aber die beiden Hexen, die bösen Schwestern, soll ich die nicht auch noch greifen?“ fragte Hans.

„Lass nur!“ sagte der alte König, „die werden wir schon kriegen, die werden ganz von selber kommen.“

Und so ritten sie heim, den Sack nahmen sie mit. Als aber Hans der Prinzessin das goldene und das silberne Feld zeigen wollte und sich nach dem schönen Schloss und der Räuberschenke umsah, war alles verschwunden. Lauter gute, anständige Wirtshäuser standen am Wege und ohne Gefahr kamen sie nach Hause.

Der König und die Königin freuten sich fürchterlich, als sie ihre Tochter wieder hatten. Alle Glocken wurden geläutet und alle Leute zogen bunte Kleider an und die Musik spielte den ganzen Tag. Der Kater wurde in einen eisernen Käfig gesperrt, denn nun, wo er gefangen war, konnte er nicht wieder Mensch werden. Alle Leute gingen hin, ihn zu besehen und schimpften ihn und warfen mit Steinen nach ihm, das war dem alten, bösen Zauberer gut!

In vier Wochen gab es nun Hochzeit im Königsschlosse, denn die Prinzessin wollte keinen andern heiraten, als ihren Hans, der sie gesucht und erlöst hatte. Der Alte Mäusekönig schenkte ihm aus Dankbarkeit gleich sein halbes Königreich.

Als sie nun an der Hochzeitstafel saßen und sich das herrliche Essen gut schmecken liesen, kam ein Diener in den Saal. Er sagte, draußen wären zwei sehr feine fremde Damen, die wollten gern dem jungen Paar Glück wünschen.

„Sie sollen hereinkommen!“ sagte der Hochzeitsvater, „und Wein und Kuchen haben, heut soll jeder vergnügt sein.“

Da tat sich die Tür auf und herein traten zwei sehr fein gekleidete Damen. Die eine hatte ein wunderschönes, buntes Kleid an, die andre trug silbergraue Seide mit einer langen Schleppe. Aber die bunte hatte einen großen Schmiß quer über der Nase. Die graue war so lahm, dass sie an einem Stock gehen musste.

Sowie der Bräutigam aber die fremden Damen sah, sprang er auf und rief: Das sind die beiden Hexen, ich erkenne sie ganz genau. Sie haben mich alle beide umbringen wollen. Greift sie, Leute, und sperrt sie zu dem Kater in den Käfig!“

Es waren wirklich die beiden Hexen, die dem jungen Paar noch etwas Böses hatten antun und einen Versuch machen wollen, ihren Bruder zu befreien. Nun entstand ein großer Tumult unter den Gästen. Die beiden Damen waren fort und zwei Katzen sprangen durch den Saal, eine graue und eine bunte. Und beinahe wären sie auch noch beide wieder fortgekommen. Aber Hans hatte sich dicht neben die Tür gestellt und als sie hinaus wollten, packte er sie alle beide. Da wurden sie mit ihrem Bruder zusammen in einen Sack gesteckt und ersäuft. Dem Schwarzen Kater ließ aber Hans vorher noch den Schwanz abhacken und seiner Frau einen Staubwedel davon machen.

Hans wurde König und lebte glücklich und zufrieden mit seiner Prinzessin bis an sein seliges Ende.


Quelle: Neue Märchen, von Lucie Ideler, Schwabachersche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart, ohne Jahr