Die Zauberpfeife

Die Zauberpfeife ist eine hessische Sage aus der Gegend von Lorsch.

Die Sage:

In der Gegend von Lorsch, da wo jetzt der Seehof steht, lag vor Zeiten ein großer See. Die rings gelegenen Dörfer traf einst eine arge Plage, ein Emsenregen (Anm. Red: Emsen – Ameisenart), der so dicht war, dass die Felder von Ameisen wimmelten und in wenigen Tagen kein grünes Hälmchen mehr zu sehen war. Die Bewohner wandten sich in ihrer Not an den Bischof von Worms, dass er durch seinen Segen und sein Gebet die Plage abwende. Der Bischof hieß sie in Prozession die Felder durchwandeln und Gott um Abwendung der Plage flehen.

Dies geschah. Als aber die Prozession in der Nähe des See´s an einem Feldaltar stille hielt, da trat ein Einsiedler in die Reihen und sprach: „Mich schickt der Herr zu euch und wenn ihr gelobt, zu tun wie ich euch sage, dann sterben die Emsen im nächsten Augenblick. Gebet mir, jedes Dorf, welches die Plage trag, hundert Gulden; ich werde davon dem Herrn eine Kapelle bauen.“ Das gelobten Alle gern und willig und sogleich zog der Einsiedler ein Pfeifchen aus seiner Kutte und pfiff. Da flogen alle Ameisen herbei, so dass sich de Himmel von ihnen verdunkelte und bald standen sie wie ein weißer Turm vor dem Einsiedler, der sie mit einem letzten Pfiff sämtlich im See versenkte. Als aber der Einsiedler zu den Gemeinden kam und den Gotteslohn verlangte, da schrien sie, er sei ein Zauberer und verdiene eher, verbrannt zu werden.

So machten es alles zehn Dörfer, doch das schreckte ihn nicht. Er sagte ihnen kurz, sie würden ihre Strafe schon erhalten. Als er aber am letzten Hause des Dorfes war, zog er sein Pfeifchen aus der Kutte und pfiff und siehe da, die Schweine der ganzen Gegend brachen unwiderstehlich aus Stall und Hof und folgten dem Einsiedler, der so rückwärts die Runde in den zehn Dörfern machte, ohne das Jemand gewagt hätte, ihn zu halten oder auch nur ein Wort an ihn zu richten. So führte er die Herde bis zum Lorscher See, wo er mit ihr verschwand.

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Quelle:
Hessische Sagen, herausgegeben von J. W. Wolf, Dieterichsche Buchhandlung, Göttingen, 1853