Die Alte vom Garten

Die Alte vom Garten ist ein italienisches Märchen.

Zwei Frauen gingen an einem Kohlgarten vorüber und es kam sie die Lust an, etwas Kohl zu entwenden. Die eine derselben hatte zwar Bedenken und meinte:

„Wer weiß, ob uns nicht jemand sieht.“

Die andere ging nachzuschauen und rief alsbald:

„Komm nur, ´s ist kein Wächter da!“

„Niemand da? So komme ich.“

Sie traten ein, schnitten sich zwei schöne Bündel Kohl, trugen ihn nach Hause und das Gericht schmeckte ihnen ganz vortrefflich. Kamen auch anderen Tages wieder und obschon die Gevatterin Furcht vor dem Gärtner hatte, sahen sie doch niemand, schnitten sich aufs neue zwei große Bündel Kohl und ließen sich den zu Hause trefflich schmecken.

Eine Alte aber war die Herrin des Gartens. Sie tritt hervor, sieht die Plünderung und ruft:

„Wer ist mir da über meinem Kohl gewesen? Da heißt es besser aufpassen. Ich werde einen Hund am Pförtlein anbinden und wenn die Diebe kommen, wird er seine Pflicht tun.“

So geschah es. Der Hund lag als Wache vor dem Garten. Die eine der Gevatterinnen hatte ihn gesehen und sagte es der andern, als diese wiederum den Garten Plündern wollte:

„Nein, diesmal lassen wir´s, ein Hund hält die Wache.2

„Ach was“, sagte die andere, „ein Hund? Wir kaufen für ein paar Heller Brot und werfen es ihm vor, so lässt er uns wohl hinein.“

Sie kauften das Brot und noch ehe der Hund zu bellen anfing, warfen sie es ihm vor, so dass er still blieb und sie den Kohl schneiden und nach Hause tragen konnten.

Wie die Alte kommt und die neue Verwüstung sieht, schilt sie das Tier:

„Was, du hast meinen Kohl rauben lassen? Wozu taugst du denn? Marsch, packe dich!“ und jagt ihn fort.

Darauf hat sie eine Katze zum Aufpassen hingesetzt und hat sich von drinnen versteckt, in der Meinung, auf das Miauen der Katze herbeizukommen und die Diebe zu packen.

Am anderen Morgen sagt die eine Gevatterin zur andern:

„Komm, holen wir uns etwas Kohl.“

„Nein,“ sagte die andere, „wenn ein Wächter da ist, könnt´ es uns schlimm ergehen.“

Doch Zureden half und sie gingen. Wie sie die Katze sahen, kauften sie ein Stück Lunge und ehe die Katze miauen konnte, warfen sie diese ihr vor. Erst nachdem der Kohl geschnitten und die Frauen schon wieder fort waren, fing die Katze an zu schreien.

Die Alte schießt rasch hervor, sieht niemand, erschaut aber die neue Verwüstung und zerquetscht der untreuen Katze den Kopf.

Sie spricht: „Jetzt setze ich den Hahn zum Wächter, der zeigt mir die Diebe durch Krähen an und ich vermag sie umzubringen. Gesagt, getan. Die eine der Gevatterinnen, die den Hahn gesehen, warnt die andere, die aber weiß Rat, nimmt etwas Hafer und wirft ihn dem Hahn vor. Während der Hahn am Fressen war, nehmen sie den Kohl und gehen weiter. Da erst krähte der Hahn. Zu spät, die Alte dreht ihm vor Wut den Hals um und verzehrt ihn.

Jetzt ruft sie einen Bauer und sagt ihm: „Grabt mir eine Grube, so lang und so breit ich bin.“ Als die Grube fertig war, legte sie sich hin dergestalt, dass nur ihr Ohr herausschaute. Wie die Frauen zum Garten kommen, sehen sie keine Seele, sammeln den Kohl und kommen, wie sie fertig sind, an der Grube vorbei.

Da sieht die eine, die ein Kindlein unterm Herzen trug, einen Pilz am Boden, ruft der andern:

„Sie da, welch schöner Pilz!“ und bückt sich und zieht.

Dieser Pilz war aber just das Ohr der Alten und wie sie beide anfassen, zogen sie die Alte aus dem Boden heraus.

„Ah!“ rief die, „ihr also seid meine Kohldiebe? Nun wart´, jetzt will ich´s euch eintränken.“

Und sie packte die, welche den Pilz zuerst bemerkte, die andere entfloh.

„So, jetzt werd´ ich dich bei lebendigem Leibe auffressen.“

„Lass mich los“, bat die andere, „ich verspreche dir auch das Kind, das ich unterm Herzen trage, sobald es sechzehn Jahre alt sein wird und ich werde gewisslich Wort halten.“

„Es sei“, sagte die Alte, „nimm dir jetzt Kohl soviel du willst, aber vergiss beileibe nicht, was du mir eben versprochen.“

Mehr tot als lebendig kam sie zu der Gefährten und klagte ihr, was sie für einen Pakt mit der Alten geschlossen, ihr das eigene Kind nach sechzehn Jahren auszuliefern.

Die andere sagte: „Ich kann dir nichts dabei helfen.“

Nach zwei Monaten kam ein Mädchen zur Welt. Da weinte die Mutter und sprach:

„O du armes Ding, an meiner Brust erwächsest und jemand anderes wird dich dereinst fressen!“

So gingen die Jahre dahin und eines Tages, da das Mädchen sechzehn Jahre alt geworden, ging sie aus, um Öl zu holen. Begegnet ihr die Alte, steht still und fragt:

„He, schönes Kind, wessen Tochter bist du doch?“

„Ich bin die Tochter der Frau dort drüben.“

„Geh, mein Kind, und sage deiner Mutter: das Versprechen! weiter nichts: das Versprechen! Wie schön bist du und wie lieb, lass dich doch herzen!“

Und streichelte des Mädchens Wangen.

„Geh jetzt und bring´ deiner Mutter diese Feigen.

Das Mädchen erzählte der Mutter, was ihr begegnet war und wie sie ihr aufgetragen zu sagen: „Das Versprechen! Das Versprechen!“ Da erschrak die Mutter und rief weinend:

„Ach, was versprach ich ihr doch! Wehe mir!“

Das Mädchen verwunderte sich und fragte: „Was weinst du denn, o Mutter?“

Die Mutter antwortete nicht, trug aber der Tochter auf, wenn sie der Alten wieder begegnen sollte, zu sagen: „Sie ist noch zu klein.“

Am nächsten Morgen traf sie denn die Alte wieder und wiederholte die Worte der Mutter. Die Alte aber trug ihr dieselbe Botschaft auf wie das erste mal und die Mutter merkte jetzt, dass sie nicht mehr zögern dürfe. Deshalb sagte sie der Tochter:

„Siehst du die Alte wieder, so sage ihr von mir: „Sie solle sich das Versprechen nehmen, wo sie es finde.““

Das sagt das Mädchen und die Alte fasst sie bei der Hand und sagt:

„So komm´ denn zur Großmutter, sie wird dich reich beschenken.“

Zu Hause angekommen, sperrt sie das Kind in einen Stall, um es fett zu machen und geht von Zeit zu Zeit nachzusehen, ob ihr das Essen anschlage. Durch ein Loch in der Tür ruft sie:

„Zeig´ mir doch einmal dein Fingerlein heraus!“

Das Mädchen war aber klug gewesen, sie hatte ein Mäuslein gefangen, ihr den Schwanz abgeschnitten und zeigte sie jetzt der Alten. Die erschrak und rief:

„Weh, weh, wie mager bist du! Iss doch, iss, deiner Großmutter zur Liebe. Ei! Ei, wie mager du bist!“

Nachdem sie ihr reichlich zu essen gegeben, kommt sie wieder, lässt sie heraus und wie sie sieht, dass sie schön rund geworden, schmunzelt sie:

„Sie da, wie fett du bis, komm, wir wollen jetzt Brot backen.“

Das Mädchen war willig und bereit, knetete den Teig, formt die Brote, worauf ihr die Alte befahl, den Ofen zu heizen. Auch dieses tat das Mädchen. Dann sollte sie die Brote hineinschieben, aber da sagte sie:

„Alles hab´ ich getan, das kann ich nicht, das müsst Ihr schon selber machen.“

„Nun, da will ich´s tun“, nickte die Alte, „reich´ du mir die Brote her.“

Das Mädchen reichte sie ihr.

„So, nun gib mir den großen Stein, damit wir den Ofen ordentlich verschließen.“

„Ach Großmutter“, rief das Mädchen, „woher soll ich den die Kräfte haben, den zu heben?“

„So hebe ich ihn“, sagt die Alte und bückt sich.

In diesem Augenblick packt das Mädchen sie bei einem Beine, wirft sie in den Ofen und verschließt diesen fest mit dem Stein. So musste die böse Hexe verbrennen. Darauf suchte sie ihre Mutter auf, die ihre Tochter schon tot geglaubt hatte und sie zogen in das Haus der Alten, allwo sie glücklich lebten bis an ihr Ende.

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Nacherzählt von Waldemar Kaden
Quelle: Süditalische Volksmärchen, J. A. Brockhaus, 1880