Der alte Derffling

Der alte Derffling ist eine Ballade von Theodor Fontane und erzählt vom Aufstieg eines Schneiders zum Soldaten.

Die Ballade: Der alte Derrfling

Es haben alle Stände
So ihren Degenwert,
Und selbst in Schneiderhände
Kam einst das Heldenschwert;
Drum jeder, der da zünftig
Mit Nadel und mit Scheer,
Der mache jetzt und künftig
Vor Derffling kein Honneur.

In seinen jungen Tagen
War das ein Schneiderblut,
Doch mocht´ ihm nicht behagen
So Zwirn wie Fingerhut,
Und wenn er als Geselle
So saß und fädelt´ ein,
Schien ihm die Schneiderhölle
Die Hölle selbst zu sein.

Einst als das Nadelhalten
Ihm schier ans Leben ging,
Dacht` er: „das Schädelspalten
Ist doch ein ander Ding;“
Fort warf er Maas und Elle,
Voll Kriegslust, an die Wand,
Und nahm an Nadel´s Stelle
Den Säbel in die Hand.

Sonst focht er still und friedlich,
Nach Handwerksburschen-Recht,
Jetzt war er unermüdlich
Beim Fechten im Gefecht;
Es war der flinke Schneider
Zum Stechen wohl geschickt,
Oft hat er an die Kleider
Dem Feinde was geflickt.

Er stieg zu hohen Ehren,
Feldmarschall ward er gar,
Es mocht´ ihn wenig lehren,
Dass einst er Schneider war;
Nun fand er einen Spötter,
Verstund er keinen Spaß,
Und brummte: „für Hundsfötter,
Sitzt hier mein Ellenmaaß“.

Krank lag in seinem Schlosse
Der greise Feldmarschall,
Keins seiner Lieblingsrosse
Kam wiehernd aus dem Stall;
Er sprach: „als alter Schneider
Weiß ich seit langer Zeit,
Man wechselt seine Kleider,
Auch hab´ ich des nicht Led.

„Es fehlt der alten Hülle
In Breite schon und Läng´,
Der Geist tritt in die Fülle,
Der Leib wird ihm zu eng;
Gesegnet sei dein Wille,
Herr Gott in letzter Not!“
Er sprach´s, und wurde stille,
Der alte Held war tot.

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Quelle: Balladen von Th. Fontane, Verlag von Wilhelm Herz, Berlin, 1861
Der alte Derffling